Oft schultern wir mehr, als wir können – oder wollen. Vor allem Frauen fällt es oft schwer, Nein zu sagen. Welche psychischen Folgen ständige Überforderung hat und wie man lernt, die eigenen Grenzen und Bedürfnisse besser zu wahren.

Viel zu oft sagen wir Ja, wenn wir eigentlich Nein sagen wollen. Zum Beispiel dann, wenn wir ohnehin schon unter Zeitdruck stehen und der Kollege uns dringend um „diesen einen Gefallen“ bittet. Oder wenn wir hundemüde von der Arbeit heimkommen und uns nur noch aufs Sofa fallen lassen möchten, doch Tante Gerti wünscht sich so sehr, dass wir zu ihrer Geburtstagsparty kom- men.

Wir sagen JA bis zum Burnout

Wir sagen Ja zu Aufgaben, die uns eigentlich überfordern, zu Terminen, auf die wir keine Lust haben, und zu Traditionen, die oft sehr viel mehr Energie kosten, als dass sie nützen. Energie, die viele Menschen nicht mehr haben. Vor allem Frauen tun das. Und sie tun es bis zum Burnout.

Antreiber bis zur Erschöpfung

Wir alle haben innere ,Antreiber‘ wie ,Ich muss schnell sein‘, ,Ich muss durchhalten‘, ,Ich muss es allen recht machen‘, ,Ich muss perfekt sein‘, ,Ich muss stark sein‘.“ Diese Antreiber sind in uns allen in unterschiedlich starker Ausprägung vorhanden und waren oft sicher gut gemeint, damit wir gut durchs Leben kommen. Doch im späteren Leben erweisen sie sich oft als problematisch. Die mahnenden Worte aus der Kindheit hallen nach und machen im schlimmsten Fall krank. Denn meist sind die Antreiber, die es oft so schwer machen, Nein zu sagen. Hinter den Antreibern liegen Glaubenssätze, die sich in unserem alltäglichen Leben mehr oder weniger zu Antriebsdynamiken verfestigen.

JA Sagen = NEIN sagen zu sich selbst

Ein Mensch, der nie gelernt hat, Nein zu sagen, bleibt abhängig, lässt sich unkritisch beeinflusen, ist verfügbar aus Angst, abgelehnt zu werden, die Liebe zu verlieren, oder aus Angst, angegriffen, beschimpft zu werden. Ständiges Ja-Sagen birgt stets die Gefahr der Selbstverleugnung. Wer ständig Ja sagt, schützt sich gewissermaßen vor dem Gefühl, enttäuscht zu haben, und vor den Schuldgefühlen dafür. Burnout, ist die Folge eines übertriebenen Ja-Sagens zu der Leistungsanforderung einer Gesellschaft und ein Nein-Sagen zu sich selbst.

Vorgelebt und nachgemacht

Kinder beobachten das Verhalten der Eltern genau und orientieren sich daran. Wer mit verbalen Antreibern wenig Erfahrung gemacht hat, kann dennoch unter Antriebsdynamiken leiden, wenn sich das Verhalten der Eltern als inkongruent herausgestellt hat. Sie fordern von anderen, „Mach doch mal Pau- se!“, obwohl sie sich selber nie Pause gönnen. Das verfestigt sich in den Kindern, und dadurch erlernen sie dieses Verhalten.

Frauen und das Nein sagen

Frauen haben v.a. ein besonders Bedürfnis gemocht zu werden. Eine Ursache sind auch hier die Vorbilder aus der frühen Kindheit und Jugend. Wer mit Frauen im Umfeld aufgewachsen ist, die immer nur Ja zu allem gesagt haben, ist als Erwachsene im späteren Leben eher dazu verleitet, auch zur Ja-Sagerin zu werden und persönliche Grenzen nicht genau zu beschützen.

Bedürfnisse zulassen, ohne zu verärgern

Wer ein Nein akzeptiert und selbst auch praktiziert, schütz t sich selbst vor unangemessenen Forderungen und lässt sich nicht so leicht in die Selbstausbeutung treiben. Die eigenen Grenzen zu kennen und zu respektieren unterstützt die Resilienz. Ein Ja oder ein Nein muss deshalb immer situationsadäquat sein und darf nicht zum Prinzip werden.

Raus aus dem JA-Sagen

Man darf sich auch erlauben, die eigenen Grenzen wahrzunehmen. Wir müssen das Recht in Anspruch nehmen, es allen recht zu machen – vor allem uns selbst.
Indem man bestehende Glaubenssätze hinterfragt und neue Verhaltensweisen trainiert, kann man die störenden, krankmachenden Antriebsdynamiken sukzessive loslassen. Welchen Nutzen haben Sie, wenn Sie es allen recht machen?‘ Die meisten antworten, sie werden dadurch eher akzeptiert – zumindest ist das der Glaube. Denn schließlich werde man auch dann gemocht, wenn man Aufgaben, Einladungen oder Termine höflich nicht annehme.

Training fürs Gehirn

„Man kann für sich neue Glaubenssätze erarbeiten und die alten aufgeben. Das ist ein Training für unser Gehirn, denn Glaubenssätze werden in neuronalen Strukturen angelegt. Erlauber strukuren zu ventwickeln, erfordert Übung und Anwendung im Alltag.  Man muss im Gehirn neue Strukturen anlegen, um sich von alten Mustern zu verabschieden. Je öfter Sie Erfahrungen machen, dass sich Ihre alten Glaubenssätze nicht bestätigen, desto öfter werden Sie die neuen Verhaltensweisen anwenden und damit Erfolg haben. Doch die äußeren Trigger werden dadurch nicht verschwinden. Wenn mich meine Kollegen immer für zusätzliche Ordnungsarbeiten eingeteilt haben, weil man mir ein besonders Organisationstalent attestiert hat, dann werden sie dies auch weiterhin tun oder zumindest versuchen – weil sie mit dieser Strategie ja erfolgreich waren und davon profitiert haben. Man kann sich aber dazu entscheiden, nicht auf den Trigger anzuspringen und hat zudem ein Übungsfeld.

Bevor du Ja sagst, überlege dir, ob du nicht genau so gut Nein sagen könntest.

 

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